Geht es um Problematiken des Bewegungsapparates im Rumpfbereich oder der unteren Extremität, so stellt die Kniebeuge ein wichtiges diagnostisches Mittel dar. Genauso, wie Fahrzeuge auf einer Teststrecke von ihren Herstellern unter extremen Bedingungen und Belastungen getestet werden, sollten auch Menschen ab und zu eine adäquate Teststrecke durchlaufen. Dabei handelt es sich bei der Kniebeuge gar nicht mal um eine extreme Belastung, sondern um eine alltägliche Routine, die jeder Mensch mehrmals täglich durchführt. Trotzdem ist es immer wieder erstaunlich, wie viele Menschen bei diesem „Test“ durchfallen. Was Kleinkinder spielend leicht durchführen können und sie auch zig Male am Tag praktizieren, fällt den Erwachsenen zunehmend schwerer. Auch sieht man Kinder sehr geschmeidig und tief in die Hocke gehen, ohne darüber nachdenken zu müssen. Erwachsene hingegen müssen erstmal überlegen, wie so etwas überhaupt funktioniert, vor allem dann, wenn sich keine Couch hinter ihnen befindet. Schwerfällig, wackelig und unsicher bewegen sich die Meisten dann mit dem Hintern ein paar Zentimeter in Richtung Boden, bevor sie aus Angst umzufallen, die Bewegung wieder umkehren. Oft klappen die Knie- und Sprunggelenke dabei in allen möglichen Richtungen auf, was dazu führt, dass sich die „Patienten“ in der darauffolgenden Aufwärtsbewegung eher hochschlängeln, statt geradlinig hoch zu bewegen. Wohlgemerkt handelt es sich hierbei nicht einmal um eine Kniebeuge mit Zusatzgewicht! Wie man sieht, kann man die Kraft sowie die Stabilität eines Menschen sehr gut anhand einer Kniebeuge testen, ohne hierfür ein Wackelbrett etc. zu benutzen. Für die meisten Individuen stellt nämlich ein beidbeiniger Stand auf festem Boden schon eine echte Herausforderung dar, sobald man durch das Beugen in Knie und Hüfte einen Hebel generiert. Selbst bei gesunden Athleten jedoch bringt eine Kniebeuge manchmal eine Vielzahl an Defiziten zum Vorschein, vor allem wenn diese unter Last getestet werden. Sämtliche schwachen Glieder dieser Bewegungskette treten hervor und geben einem geschulten Auge wichtige Informationen preis. Die Kniebeuge deckt somit Problematiken auf, welche im weiteren Training des Athleten berücksichtigt werden müssen. So wie in der Industrie Materialien unter Belastung geprüft werden, so zeigen sich auch bei Menschen unter Belastung die Schwächen des „Materials“, allerdings mit dem Unterschied, dass man bei Menschen verständlicherweise weit unter der Belastungsgrenze bleibt. Doch warum kommt ein solch wertvolles diagnostisches Mittel nur so selten zum Einsatz? Möglicherweise weil niemand daran etwas verdienen kann, und heutzutage leider wenige Trainer und Therapeuten selbst in der Lage sind eine saubere Kniebeuge durchzuführen, geschweige denn diese richtig zu schulen bzw. zu korrigieren. Stattdessen legen sich viele therapeutische Einrichtungen teure, teils „pseudo“-diagnostischen Apparaturen zu und erheben damit wahllos irgendwelche Parameter, die sie selbst weder richtig auswerten können noch können sie daraus eine sinnvolle Trainingsempfehlung ableiten. Den Laien kann man durch neue, moderne Geräte allerdings Professionalität vortäuschen, damit dieser wiederum bereit sein wird für das ultimative Diagnoseverfahren auch weitaus mehr zu zahlen, als für eine „simple“ Kniebeuge.

Diagnose ist die Kranheitsvoraussage eines Arztes, gegründet auf den Puls und das Portemonnaie des Patienten.

Ambrose Gwinnett Bierce

Ich bevorzuge nach wie vor die gute alte klinische Diagnostik, wozu in bestimmten Fällen auch die Kniebeuge gehört.