„Der Irrsinn ist bei Einzelnen etwas Seltenes, aber bei Gruppen, Parteien, Völkern, Zeiten die Regel“

Friedrich Nietzsche

Als ehemaliger Sport- und Physiotherapiestudent erhalte ich alljährlich das neue Fortbildungsprogramm aus dem Bereich Prävention, Fitness und Rehabilitation per Post. Voller Begeisterung fange ich an in dem „Comic“-Heftchen zu blättern, welches mir jedes Jahr eine riesen Freude bereitet. Selten lese ich nämlich ein Witzheft, dass mich so dermaßen zum Lachen bringt. Allein die „abgespaceten“ Begrifflichkeiten, bei denen die deutsche Sprache wahllos mit der englischen Sprache vermischt wird, amüsieren mich und erinnern mich irgendwie an Science-Fiction Filme. Für all diejenigen unter uns, die sich im Alltag eindimensional fortbewegen, werden z.B. Funktioneller Faszientrainer – Updatekurse angeboten, bei denen man alltagsnahe Bewegungen in ihrer n3-Dimensionalität ausführt. Beim Überfliegen des Heftchens sticht mir daraufhin ein Lehrgang ins Auge, in dem man lernt perinatale Traumatisierungen zu erkennen und zu behandeln. Sprich das Erkennen intrauteriner (im Mutterleib) Traumatisierung. Inhalte dieses Lehrgangs sind u.a. schamanische Ansätze zur Traumalösung. Brain sowie Gentle Running, Balance Boxen sowie Beckenboden -Up to date runden das Angebot auf. Selbstverständlich müssen die meisten dieser Kurse alle drei Jahre (so im „Comic“ geschrieben) refresht werden. Die Anatomie des Menschen ändert sich wohl auch alle drei Jahre. Mein erster Gedanke dabei:  sollte man nicht jedem Autofahrer alle drei Jahre den Führerschein entziehen? Könnte ja sein, dass man mit der Zeit schlechter fährt als ein Fahranfänger. Auf einmal lese ich Matrix, was mich wieder an Science-Fiction erinnert. Gemeint ist jedoch Matrix Myofascial Release in Therapie und Training, was wohl die Fortsetzung zum Film Matrix sein soll. Matrix Reloaded, nein Released! Langsam bin ich etwas verwirrt, vielleicht sollte ich einen Hui Chun Gong Kurs besuchen, den Qi Gong Kurs für Therapeuten. Wenn das nicht hilft, sollte ich vielleicht den Kurs „Therapie-Innovationen mit aktiver Stimulation das Parasympathikus“ besuchen. In der Beschreibung hierzu ist die Rede von einem Japanischen Wissenschaftler, dem es gelungen ist, eine Faser in einen Stoff einzuweben, die positiv auf den Parasympathikus einwirkt. Dabei kommt es anscheinend über einen bioelektrischen Effekt zu einer verstärkten komplexen und lokalen Stimulierung, die einen intensiven Abtransport von Schlackenstoffen zur Folge hat. Was auch immer diese Schlackenstoffe sein mögen, klingt zumindest sehr futuristisch. Ansonsten werde ich mich beim EMS-Therapeutenkurs Stromstößen aussetzen oder beim Energy Dance-Kurs teilnehmen um herunterzukommen. Sollte alles nicht helfen, kann ich mich ja zu einem Burn-Out Coach ausbilden lassen und mich dann selbst therapieren.

Das einzige was ich unter den knapp 100 angebotenen Kursen in dem Fortbildungsprogramm nicht wiederfinde, sind Kurse, in denen fundierte Kenntnisse in den Bereichen Biomechanik, Physiologie oder ähnliches vermittelt werden. Dazu werden auch keine „refresher“ angeboten, was die ein oder anderen Trainer und Therapeuten bitter nötig hätten.

Zusammenfassung

Überlegen Sie sich gut in welche Fortbildung Sie Ihr Geld sowie Ihre Urlaubstage investieren. Fragen Sie sich vorher ob die jeweilige Fortbildung Sie Ihren Zielen näherbringt bzw. ob diese zu Ihrer persönlichen Entwicklung beiträgt.

PS: Die etwas kritischeren Teilnehmer, die ab und zu Dinge auch mal hinterfragen, sollten für eine Fortbildung auf jeden Fall starke Nerven mitbringen und um sicher zu gehen evtl. auch eine Kotztüte dabeihaben.