„Irrtümer entspringen nicht allein daher, weil man gewisse Dinge nicht weiß, sondern weil man sich zu urteilen unternimmt, obgleich man doch nicht alles weiß, was dazu erfordert wird.“
Immanuel Kant

Wenn man mit den meisten Bodybuilder über das Thema Ernährung diskutiert, bekommt man immer wieder gepredigt wie wichtig die Ernährung doch sei. Dass die Ernährung einen hohen Stellenwert einnimmt steht natürlich außer Frage, denn ohne Ernährung würden wir nicht existieren, zumindest nicht all zu lange. Doch woher kommen wie aus der Pistole geschossen und mit voller Zuversicht immer diese präzisen Prozentangaben? Ernährung 70% Training 30% bla bla. Soll das heißen, dass man bei „optimaler“ Ernährung ohne ein Training zu absolvieren zu einem massiven Bodybuilder wird? Vor allem wenn man bedenkt, dass das Training bei den meisten Trainierenden sowieso etwas zu wünschen übrig lässt. Oder bedeutet es, dass es egal ist ob man Jahrelang im Studio richtig Gas gibt solange man nur auf seinen Appetit hört und nicht jedes Gramm an Nahrung abwiegt? Wird man dann keinen Erfolg vorweisen können?

Natürlich kann man keineswegs behaupten, dass es keine Rolle spielt was man isst, mit genauen Prozentangaben sollte man aber vorsichtig sein. Selbst bei epidemiologischen Studien oder bei Untersuchungen der Lebenserwartung wird der Beitrag der Ernährung bei Weitem nicht so hoch gewertet und wenn überhaupt dann nur grob geschätzt. Dabei hört man je nach Untersuchung, wie z.B. der Lebenserwartung, teilweise Werte die im Bereich von ca. 5% liegen. Ist der Einfluss der Ernährung auf unsere Gesundheit/Training also eher gering oder etwa doch 70%? Eines steht fest, besonders präzise wird uns das wohl vorerst niemand sagen können, denn wie soll das auch jemals irgendjemand vergleichen können? Man vergleicht hierbei nämlich Äpfel mit Birnen bzw. man setzt etwas in Relation was nicht einander gegenübergestellt werden kann. Man würde wohl kaum auf die Idee kommen zu behaupten, ein Gemälde eines bestimmten Künstlers würde zu 70% von der Qualität seiner Farben abhängen. Bei dem Vergleich von Ernährung und Training findet man jedoch überall Zustimmung, ohne dass jemals darüber nachgedacht wird wie absurd ein solcher Vergleich ist.

„Auch wenn alle einer Meinung sind, können alle unrecht haben.“
Bertrand Russell

Vielleicht kann man sich allerdings selbst ein Bild davon machen. Betrachtet man z.B. Menschen aus ärmeren Ländern, die bei einer relativ geringen Kalorienzufuhr körperliche Schwerstarbeit verrichten so kann man feststellen, dass diese Menschen selbst unter solchen Umständen eine sehr beträchtliche Muskelmasse entwickeln von der die meisten wohlgenährten Kreaturen hierzulande nur träumen und zwar ganz ohne detailliertes Wissen über die Ernährung. Ein weiterer Punkt der einem über das 70%- Gebot zum Nachdenken bringen sollte sind Beispiele aus Gefängnissen, in denen die Insassen alle das gleiche Essen bekommen und welches obendrein aus der Sicht eines Bodybuilders nicht gerade das gesündeste ist. An dieser Stelle könnte man natürlich den Missbrauch illegaler Substanzen zum Muskelaufbau anbringen jedoch sind diese Substanzen in den Gefängnissen sicherlich nicht viel einfacher zu beschaffen als außerhalb. Selbst bei einer suboptimalen Ernährung kann man also sehen, dass ein Trainierender sich aufgrund seiner Muskelmasse klar von einem nicht-Sportler hervorhebt. Deshalb sollten bestimmte Ratschläge seitens der Trainer nicht unbedacht an die Neulinge dieser Sportart weitergeben werden, da dies bei den meisten nur zur Verunsicherung führt. Zumal die Zuwächse den Anfängern sowieso viel zu langsam erscheinen, könnte eine solche Aussage dazu verleiten wahllos nach allen möglichen Supplementen zu greifen. Auch der Versuch eines „Unwissenden“ seine Ernährung bzw. seinen Stoffwechsel zu optimieren könnte ohne die Unterstützung eines Fachmanns dazu führen, dass dieser erst recht Defizite aufweist oder man sich seinen Stoffwechsel sogar ordentlich gegen die Wand fährt. Aus diesem Grund sollte man einen Anfänger eher dazu ermutigen sich erstmal selbst über die Grundlagen der Ernährung zu informieren, da diese ihm eine Basis für alles andere schaffen. Die Erläuterung unterschiedlicher Ernährungskonzepte ist dann ebenfalls leichter zu verstehen.

Fazit: Der beste Athlet hat eine „gute“ Genetik, nutzt diese auch indem er sauber und regelmäßig trainiert, ernährt sich und schläft gut ohne sich großartig Gedanken über unnötige Prozentangaben zu machen. Amen!