Ein simples Beispiel aus der Praxis verdeutlicht, wie schnell jeder von uns in eine Teufelsspirale des Gesundheitssystems abdriften kann, aus der man nur schwer herauskommt und das immense Kosten verursachen kann.

Ein Patient, der den ganzen Tag über im Büro sitzt oder mit dem Auto unterwegs ist, klagt über Schmerzen im Lendenbereich. Der Patient ist körperlich aktiv und besucht drei Mal die Woche ein Fitnessstudio. Als erstes versucht er sein Glück bei seinem Hausarzt, der ihm rät seine Bauch- und Rückenmuskulatur zu stärken oder einen Yoga bzw. Pilateskurs zu besuchen. Das Training ändert allerdings nichts an seinen Beschwerden, diese werden nur noch schlimmer. Der Patient sucht einen Orthopäden auf, der ihn ein weiteres Mal gründlich körperlich untersucht. Anschließend macht er ein Röntgenbild, auf dem jedoch nichts zu erkennen ist, also veranlasst er ein MRT. Ca. 6 Wochen später können auch diese Aufnahmen keinen Aufschluss geben. Der Patient bekommt daraufhin ein Rezept für die Physiotherapie. Auch hier wird eine gründliche körperliche Untersuchung durchgeführt, nach dem durchgeführten Training, das eine mögliche Ursache der Beschwerden sein kann, wird aber auch hier nicht gefragt. So führt das letztendlich zu einer reinen Symptombehandlung. Nach dem dritten, erfolglosen Rezept, entschließt sich der Patient einen Chiropraktiker aufzusuchen, woraufhin der Osteopath folgt. Die Schmerzen des Patienten werden schlimmer, was den Patienten zu einem Schmerztherapeuten führt. Dieser diagnostiziert dem Patienten eine psychosomatische Komponente seiner Beschwerden. Der Patient ist zunehmend verzweifelt und kann sich nicht vorstellen, dass er sich die Schmerzen nur einbildet. Von der Schulmedizin enttäuscht wendet sich der Patient der Alternativmedizin zu, worauf er seine letzte Hoffnung setzt. Was der Patient nicht weiß, ist, dass er sich hier auf einem Terrain begibt, wo seine eigentliche Problematik, das fehlerhafte Training den Therapeuten, oft weit ferner liegt als einem Schulmediziner. Ein Orthopäde ist immerhin mit der Biomechanik weitaus besser vertraut als ein Alternativmediziner. Nach zahlreichen vergeblichen Versuchen mit Globuli, Akkupunktur etc. fängt der Patient an auch an dieser Heilmethode zu zweifeln. Zufällig spricht mich dieser Patient im Fitnessstudio an, worauf wir ins Gespräch kommen. Er erzählt mir von seinen Beschwerden, woraufhin ich mich nach seinem Training sowie nach seinen Aktivitäten im Alltag erkunde. Dabei stellt sich heraus, dass so ziemlich alles was der Patient im Alltag und im Training macht seine Beschwerden unterhalten. Der Patient weist eine typische Bandscheibenproblematik auf, die er durch ständige Beugebewegungen immer weiter verschlimmert. Nachts liegt er auf einer sehr weichen Matratze, in der er tief einsinkt wodurch er die neutrale Wirbelsäulenposition verliert und im Lendenbereich einrundet. Da er morgens bereites mit Schmerzen erwacht, führt er im Bett ein paar Dehnübungen durch, was aber nur kurzfristig eine Linderung herbeiführt (Dehnreflex). Dabei zieht er beide Knie in Richtung Brust, wobei er erneut einrundet. Nachdem er aus dem Bett steigt, streckt er die Finger den Unterschenkeln entlang Richtung Boden (rund). Beim Zähneputzen sowie beim Haarewaschen über der Badewanne ein weiteres Mal. Als nächstes folgen das Autofahren und die 8 Stunden im Büro. Danach geht es mit dem Auto ins Studio, wo die durch ständige Beugung „gequetschte“ Bandscheibe den Rest bekommt. Das Aufwärmprogramm beginnt mit dem Ruderergometer im tiefen Sitz (maximal rund). Daraufhin folgt die Beinpresse, bei der der Patient bei näherer Analyse seiner Technik das Becken stark kippt und somit ebenfalls einrundet. Weitere Übungen, die sich als hochproblematisch herausstellen, sind zwei Bauchmaschinen sowie die die Hyperextension, bei der der Patient in der unteren Position einrundet. Zum Schluss macht er ein paar Dehnübungen, u.a. eine bei der er auf dem Boden sitzend versucht an die Fußspitzen zu greifen. Danach geht der Patient auf den Crosstrainer, wo er mangels Hüftbeweglichkeit bei der vorgegebenen Schrittlänge ein weiteres Mal unzählige Beugebewegungen durchführt.

Nach genauer Analyse des Trainings sowie des gesamten Bewegungsverhaltens in einem weiteren Termin treffe ich ihn ca. zwei Wochen später wieder. Allein das Weglassen bestimmter, vor allem repetitiver Beugebewegungen im Training und im Alltag, führen schnell zu einer deutlichen Linderung seiner Beschwerden. Die an dem spezifischen Problem des Patienten orientierten Übungen sowie ein Techniktraining führen ebenfalls zu einer Besserung.  Einige Wochen später ist der Patient völlig schmerzfrei. Die über lange Zeit verwendeten Schmerzmedikamente, die bei Daueranwendung den Darm schädigen können und das Immunsystem außer Gefecht setzen ist der Patient nun auch los.